Als
der Kaiser Franz Joseph seine Cousine Elisabeth, besser
bekannt unter den Namen Sissi im Jahre 1854 in Wien heiratete
wurde in einer kleinen Gemeinde in der Oststeiermark ebenfalls
gefeiert. Ein Haus von überdurchschnittlicher Größe
für den ländlichen Raum wurde fertig gestellt
und bezogen. Die Gemeinde Kirchbach im Schwarzautal wurde
stolzer Besitzer eines Gerichtsgebäudes und des K.
K. Bezirksgerichts.
Wie
kam es aber zum Bau dieses faszinierenden Gebäudes
in Kirchbach?
Zu
Beginn des 19. Jahrhunderts errang Kirchbach als Durchzugsort
große Bedeutung und die Bevölkerung von Kirchbach
und Umgebung gelangte zu Wohlstand und Ansehen. Die Frachten
mussten damals mit Pferdefuhrwagen befördert werden,
da es noch keine Eisenbahnen gab. Die Straße führte
damals über Waldegg und Frannach nach Heiligenkreuz.
Erst um 1825 wurde die Straße über Zerlach nach
Prosdorf angelegt. Die Verkehrsstraßen führten
in das Murtal und in das Raabtal. Es entwickelte sich ein
lebhafter Handelsverkehr und das Gewerbe blühte. Einkehrgasthäuser
entstanden, Schmiede, Wagner und Schlosser fanden gute Verdienstmöglichkeiten.
Aus
dem südlichen Teil der Steiermark wurde Wein nach Graz
bis ins das Ausseerland geliefert und Salz als Gegenfuhr
mitgenommen. Ebenso wurde Flachs, besonders aus dem südlichen
Teil des heutigen Burgenlandes, nach der Obersteiermark
geliefert und von dort Salz zurück in die Süd-
und Weststeiermark geführt. Das brachte Geld in die
Gegend, zumal vielfach Vorspann geleistet werden musste,
um die Fuhrwerke über die Bergstraßen zu bringen.
Gerade am Fuße der Berge trifft man meist bäuerliche
Siedlungen. Das hat seinen Grund darin, dass durch den Vorspann
sich die Bauern Pferde halten konnten, deren Erhaltung durch
diese Verdienstmöglichkeit von selbst gegeben war.
Sie konnten sozusagen ihre Landwirtschaft kostenlos bebauen.
Die bäuerliche Bevölkerung konnten ihre Erzeugnisse
leichter in die Stadt verkaufen, was auch ihr Geld und Verdienst
verschaffte. Schon in der Römerzeit zogen die Säumer*
auf ausgetretenen Wegen, den sogenannten Saumpfaden mit
Ihren Waren durch das Gebiet der Steiermark um diese dann
zu tauschen.
Ein
Rückschlag trat ein, als um die Mitte des 19. Jahrhunderts
im Murtal und später im Raabtal die Schienenstränge
gezogen wurden, und damit der Fuhrwerks- und Frachtenverkehr
auf die Schiene verlegt wurde. Die Pferdewagen verschwanden
nach und nach und es kamen harte Zeiten der Umstellung für
die Bevölkerung in der Region um Kirchbach.
In
den 40er Jahren des 19. Jahrhundert erfolgt die erste Erschließung
der Steiermark durch den Bahnbau und hatte ihren Höhepunkt
mit der Fertigstellung der Semmeringbahn im Jahre 1854.
Die Raaber-Bahn wurde im Juni 1841 feierlich eröffnet.
Es gab anfangs 4 Klassen, wobei die Zeit natürlich
viel verändert hat. Erste und Zweite Klasse waren gedeckt,
aber nur die Erste Klasse hatte Fenster. Dritte und Vierte
Klasse waren ohne Dach, wobei wiederum nur die Dritte Klasse
Sitzbänke hatte! 3 Jahre später wurde dann Im
Jahre 1844 das Teilstück der Südbahn von Mürzzuschlag
nach Graz eröffnet. Als die Zweiglinie Mureck –
Radkersburg – Luttenberg* gebaut wurde, versiegte
fast vollständig der Fuhrwerksverkehr. Kirchbach konnte
sich nicht mehr weiter entwickeln und dadurch sank auch
die Bedeutung unseres Marktes.
In
dieser schwierigen Situation gelang dem damaligen Landtagsabgeordneten,
Bürgermeister und Leiter der Poststelle von Kirchbach
Franz Feyertag die Verlegung des K. K. Bezirksgerichtes,
welches 1848 gegründet wurde, von Schloss Waldegg nach
Kirchbach. Möglich war dies durch die Verbindung des
Herr Feyertag mit maßgebenden Persönlichkeiten
in Politik und Wirtschaft aus der Steiermark. Damit
sollte die Gemeinde Kirchbach wieder für die Region
interessanter werden und das wirtschaftlichen Leben in Kirchbach
neue Impulse bekommen. Damit beginnt die Geschichte dieses
faszinierenden Hauses.
Den
Bauplatz stellten der spätere Bürgermeister (1870
- 1880) von Kirchbach und damalige Gemeindevorsteher Hans
Grabner (129 Klafter*) und das Ehepaar Franz und Marie Gsöll
(141 Klafter), heute der Grund der Familie Löffler,
unentgeltlich zur Verfügung. Auf dieser Wiese standen
die Feuerhütte und hohe Pappeln. In der Feuerwehrhütte
wurden Löschutensilien wie zum Beispiel eine Wasserpumpe
aufbewahrt. Eigentümer diese ersten Feuerwehrhauses
war die Gemeinde Kirchbach. Die Feuerwehrhütte wurde
auf ein Grundstück des Hr. Hans Grabner verlegt und
die Druckspritze untergebracht. Es wurde ebenfalls unentgeltlich
von der Familie Grabner zur Verfügung gestellt und
diente später als Bauplatz des alten Rüsthauses.
Der
Bau des Gerichtsgebäudes wurde im Jahre 1852 von Herrn
Franz Feyertag begonnen, im nächsten Jahr vollendet
und 1854 bezogen. Der Ort gewann bald seine frühere
Stellung wieder zurück, zumal auch eine Anzahl von
Ämtern mit dem Bezirksgericht ihren Amtssitz in Kirchbach
erhielten, so vor allem das Notariat und Steueramt. Des
weiteren wurden das Grundbuch und ein Arrestlokal errichtet.
Im 2. Stock befand sich die Wohnung des Gerichtsvorstehers.
Durch die Errichtung der Wohnung im Gerichtsgebäude
wohnten die Richter (zu gewissen Zeiten auch zwei Richter
gleichzeitig) mit vorübergehenden Ausnahmen im Ort,
wodurch sich ein guter Kontakt mit der Bevölkerung
ergab. Die Vertreter des Rechtes bedeuteten im Privatleben
eine Bereicherung des kulturellen Lebens der Gemeinde. Ebenfalls
mit der Errichtung des Bezirksgerichtes hängt die Entstehung
des Notariats in Kirchbach zusammen, welches im Klughaus
untergebracht war.
Dadurch,
dass Kirchbach zum Gerichtsorte wurde hatte es eine große
Bedeutung zwischen dem Raabtal und Feldbach einerseits und
dem Murtal und Leibnitz anderseits. Die Bevölkerungszahl
des Gebietes stieg im 19. Jahrhundert wie auch die Häuserzahl
stark an. Im Jahre 1848 hatte die Gemeinde Kirchbach 749
Einwohner und 118 Häuser wurden im Jahre 1869 gezählt.
Am meisten war Kirchbach um 1850 gewachsen, als sich der
Ort als wirtschaftlicher Mittelpunkt und Behörtensitz
herausbildetet.
Zum
Gerichtsbezirk Kirchbach gehörten damals 25 Ortsgemeinden
bzw. Teile davon. Dies waren: Aschau, Baumgarten, Edelstauden,
Frannach, Glojach, Grasdorf, Jagerberg, Kirchbach, Krottendorf,
Lichtenegg, Lugitsch, Maggau, Mitterlabill, Petersdorf,
Pirching, Rettenbach, Schwarzau, St. Stefan im Rosental,
Trößengraben, Ungerdorf, Unterauersbach, Unterlabill,
Wetzelsdorf, Zerlach und Ziprein.
Wie
bereits in der Einleitung erwähnt wurde dieses Gebäude
im Historismus, auch als Gründerzeit
bezeichnet, erbaut. Darunter versteht man die Kunst und
Kultur der Epoche zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts
und den Beginn des 20. Jahrhundert. Der Begriff Historismus
steht dabei für den gezielten Rückgriff auf die
Architekturformen der Vergangenheit und ist gekennzeichnet
durch den Beginn der Industrialisierung. Zum Teil wurden
an einem Bauwerk auch verschiedene Stile angewendet. Es
entstanden zahlreiche öffentliche Gebäude, so
auch das Gerichtsgebäude und Steueramt in Kirchbach.
Das aufstrebenden Bürgertum entwickelte immer höhere
Ansprüche. Der Drang zur Repräsentation äußerte
sich durch geräumige Häuser in einem aufwendigen,
großbürgerlichen Baustil mit vielen Räumen,
wie wir an dem Haus in Kirchbach sehen können.
Im
Jahre 1942 wurde das Gerichtsgebäude um eine weitere
Institution bereichert. Das Postamt übersiedelte vom
Haus Feyertag, heute Besitz der Familie Schabler, in das
Gerichtsgebäude und war damals das modernste Postamt
dieser Region.
Als
schwerer Schlag für Kirchbach musste die Auflösung
des Bezirksgerichtes im Jahre 1976 bezeichnet werden. Kirchbach
war kein Gerichtsort mehr, auch das Grundbuch war nach Feldbach
übersiedelt. Selbst eine Gemeinderatssitzung unter
freien Himmel mit über 500 anwesenden Kirchbachern
und der Verfassung einer Protestresolution, welche sich
gegen den Justizminister richtete, konnten die Auflösung
des Bezirksgerichtes nicht verhindern. Der letzte amtierende
Richter in Kirchbach war OLGR Dr. Fritz Gasparic. Er wohnte
mit seiner Familie ebenfalls in Kirchbach und hatte guten
Kontakt zur Bevölkerung und war wie fast alle seine
Vorgänger sehr beliebt. Seit das Bezirksgericht abgesiedelt
wurde, mussten massive Anstrengungen unternommen werden,
um Frequenzminderungen und Kaufkraftabflüsse zu vermeiden.
Es fehlte das aus der Frequenz resultierende Leben in der
Gemeinde. Das Gebäude wurde nach der Auflösung
des Bezirksgerichtes dem österreichischen Bundesheer
von der Bundesgebäudeverwaltung als Waffen- und Gerätelager
zur Verfügung gestellt.
Interessantes
Detail am Rande; einer der jetzigen Besitzer des schmucken,
neugestalteten Hauses wohnte die ersten 5 Jahre seines Lebens
in
diesem Gebäude. Außerdem
leistete
dieser tüchtige junge Mann in den 80-iger Jahren einen
Teil seines Militärdienstes beim österreichischen
Bundesheer in diesem Gebäude. Wer mag das wohl gewesen
sein?
Franz
Tomberger |