Die
Hexe und die Wilde Jagd
Vor
vielen Jahren stand auf dem Kirchenbühel von Kirchbach
ein einsames Haus, in dem der Besitzer mit seiner Frau und
dem einzigen Sohn lebte. Die Frau war leider sehr neu gierig
und von einer uralten Nachbarin, einer wahren Hexe, in die
Geheimnisse des Hexenlebens eingeweiht worden. Sie hatte
von der Alten auch eine stark riechende graue Salbe erhalten.
Wenn sie damit ihre Achselhöhlen bestrich, konnte sie
sich sogleich in die Lüfte erheben und an Hexentänzen
und Teufelsgelagen teilnehmen.
Eines Abends hörte die Frau, wie sich die Wilde Jagd
mit schreckhaft fürchterlichem Getöse dem Hause
näherte. Rasch nahm sie aus dem Wandschrank die hölzerne
Büchse mit der grauen Salbe, bestrich ihre Achselhöhlen,
und schon flog sie pfeilschnell zum Schornstein hinaus und
mit der Wilden Jagd über Berg und Tal dahin, um schließlich
auf dem Stradner Kogel zu landen.
Der Sohn, der alles mit angesehen hatte, rieb sich ebenfalls
mit der Salbe ein, flog durch den Rauchfang hinaus und der
Mutter nach. Als er auf dem Stradner Kogel ankam, sah er
sie inmitten zahlreicher Hexen und Hexenmeister an einer
langen Tafel sitzen, die über und über mit köstlichen
Speisen und Getränken bedeckt war. Die Mutter begrüßte
ihren Sohn gar freundlich und forderte ihn auf, am Festmahl
teilzunehmen. Der Sohn ließ sich das nicht zweimal
sagen, machte aber, bevor er zugriff, aus alter Gewohnheit
das Kreuzzeichen vor dem Essen.
In diesem Augenblick krachte es fürchterlich, die gedeckte
Tafel verschwand plötzlich und grässlich heulend
erhoben sich alle Teilnehmer in die Lüfte und flogen
in ihre Behausungen zurück. - In der Stube erzählte
dann der Sohn dem Vater, was er auf dem Stradner Kogel gesehen
hatte. Voll Wut über das schamlose Treiben seiner Frau
griff der Mann nach einer Hacke und schlug das Weib nieder.
|
Der
Schatz im Greinerkogel
In
der Nähe des Dorfes Tagensdorf im Schwarzatale bei
Waldegg heißt ein Berg der Greinerkogel. Auf diesem
soll einst ein Schloß gestanden sein, das aber später
in die Tiefe versunken ist; ruinenartige Mauern und Löcher
werden als die Überreste desselben bezeichnet. Diesen
auf drei Seiten freistehenden Kogel bestieg nun in einer
hellen Johannisnacht der vulgo Greinerbauer, um einen befreundeten
Nachbarn, welcher hinter dem Berge wohnte, zu besuchen und
ihn zu bewegen, ihm mit einer Geldsumme auszuhelfen. Der
Greinerbauer war eben unverschuldet in Not und Elend gekommen
und er wusste sich keinen anderen Ausweg, als seinen Nachbarn
um freundschaftliche Hilfe anzusprechen. Leider war sein
Gang umsonst, ihm wurde seine flehende Bitte rundweg abgeschlagen,
und voll Traurigkeit über seine bittere Lage machte
er sich auf den Rückweg.
Wie
er nun so zu dem Mauerwerk gelangte, dessen Gestein, von
glühenden Johanniswürmchen umschwirrt, ganz seltsam
im zitternden Silberschimmer des Mondlichtes vom dunklen
Moosgrunde sich abhob, tauchte plötzlich aus einem
Loche ein kleines, schwarzes Männlein empor. Es zeigte
mit seinen Händchen auf einen Schlüssel, welcher
am Zweige des nahen Gebüsches hing, und bedeutete dann
dem Bauern, ihm zu folgen. Dieser verstand die Gebärde
des seltsamen Männchens, nahm den Schlüssel und
schritt nun hinter seinem rätselhaften Führer
daher.
Sie
kamen, nachdem sie einige Zeit abwärts gestiegen, in
einen Gang, dessen Zutritt durch eine schwere, eiserne Tür
abgesperrt war. Auf den Wink des Männleins steckte
der Bauer den Schlüssel in das Schloß und die
Tür sprang sofort auf. Nun traten sie in ein Kellergewölbe,
an dessen Wänden ringsherum vollgefüllte Geldkisten
standen. Das schwarze Männchen setzte sich auf eine
dieser Kisten, in welcher Silberstücke sich befanden,
und sagte zum Bauern: "Laß dich durch das in
den anderen Kisten befindliche Gold nicht blenden! Ich gestatte
dir, aus dieser und nur aus dieser einen Kiste alljährlich
in der Sonnenwendnacht so viel Geld zu nehmen, als du zu
tragen imstande bist. Doch musst du darüber strengstes
Stillschweigen beobachten!"
Der
Bauer versprach dies, füllte seine Taschen sämtlich
mit blinkenden Silbertalern und verließ dann mit dem
Männchen das Gewölbe. Wieder in das Freie getreten,
war mit einem Male der kleine Schwarze verschwunden, und
nur die schweren Geldstücke in den Taschen überzeugten
den überglücklichen Landmann, dass es keine Täuschung,
sondern Wirklichkeit gewesen, was er erlebt hatte.
Alljährlich
bestieg nun der Bauer in der Johannisnacht den Greinerkogel,
fand hier am Gebüsche den bekannten Schlüssel,
mit dessen Hilfe er die schwere Tür öffnete, und
nahm aus der einen ihm vom schwarzen Männchen bezeichneten
Kiste so viel Geld heraus, als er brauchte. Damit bezahlte
er dann seine Schulden, baute sich ein neues Wohnhaus, ausgedehnte
Stallungen und Wirtschaftsgebäude und kaufte auch die
umliegenden Gründe, sodass er bald der reichste Bauer
in der Gegend wurde.
Das
Glück war auf diese Weise unserem Greinerbauern hold,
aber eben dies erregte die Missgunst und den Neid der Nachbarn.
Sie schöpften Verdacht, dass er auf nicht ganz natürliche
Weise zu seinem Reichtume gekommen, und beschlossen, ihm
sein Geheimnis zu entlocken. Es gelang ihnen auch nur zu
gut, denn der redselige, in seinem Glücke mitteilsame
Landmann erzählte einmal, als er bei besonders froher
Laune war, den Leuten von dem Schatze im Greinerkogel.
Als
er aber in der nächsten Sonnenwendnacht wieder den
Greinerkogel hinanstieg, fand er wohl den Schlüssel
an der bekannten Stelle, in der Kiste hingegen statt der
Silbertaler nur Kieselsteine. Enttäuscht verließ
er das Gewölbe und ging von dannen; hinter ihm aber
ertönte ein höhnisches Lachen und Kichern, welches
aus dem zerfallenen Gemäuer kam. Und seitdem hat niemand
mehr den Schlüssel gesehen oder gefunden, welcher zur
Tür des Schatzgewölbes gehörte; auch der
Schatz selbst wurde seither von keinem Menschen mehr benützt.
Eben
dieser Greinerbauer hatte damals, als ihm das kleine, schwarze
Männchen erschienen und ihm aus der Not geholfen, ein
Büblein angenommen, welches er, da es ihm zu irgendeiner
anderen Arbeit untauglich schien, zum Halten der Schafe
und Rinder verwendete. Dieses Knäblein wurde nie größer
und hielt sich mit seiner ihm anvertrauten Herde am liebsten
in der Nähe des alten Gemäuers auf dem Greinerkogel
auf. In derselben Johannisnacht aber, in welcher der Bauer
das letztemal im Schatzgewölbe gewesen, kamen die Schafe
und Kühe ohne das Halterbüblein nach Hause; dieses
wurde seither nicht mehr gesehen. Das Glück blieb jedoch
auch ferner dem Greinerbauern treu.
|